Portraits

Mit Tempo und tatü-tata

(Teilweise veröffentlicht in: Klipp, 2011)

 

Unterwegs im Dienste der Gemeinschaft

Die festen Stiefel mit den übergestülpten Schutzhosen stehen bereit, bereit für den Einsatz. Rund ums große rote Feuerwehrauto, von der Mannschaft liebevoll Jacqueline getauft, sind sie aufgestellt, fünf, sechs, sieben Paar: Wenn der Gong ertönt und alle Diensthabenden herbeistürzen, müssen sie so schnell wie möglich in Hose und Stiefel schlüpfen können und ausfahren – denn dann wartet irgendwo in Graz ein Verkehrsunfall, ein überschwemmter Keller oder ein anderer Unglücksfall, bei dem dringender Einsatz von Nöten ist.

Ein, zwei Nächte in der Woche kann es sein, dass Michael Lippitsch hinter dem Steuer des 14 Tonnen schweren Löschfahrzeuges sitzt. Oder des etwas kleineren Kleinalarmfahrzeuges – denn Michael Lippitsch ist bei der Freiwilligen Feuerwehr Graz im Einsatz.

Gelandet ist er dort zufällig. „Ich hab mit der Feuerwehr eigentlich nie etwas am Hut gehabt.“

Aber wie das Leben so spielt – ein guter Freund hat ihn im Herbst 2009 darauf angesprochen „Gehen wir zur Feuerwehr!“, aber da war Michael Lippitsch noch skeptisch – woher die Zeit nehmen, wenn man beruflich ohnehin stark eingespannt ist und daheim die Familie wartet?

 

Freiwilligenarbeit ist eine Leistung, die freiwillig und ohne Bezahlung für Personen außerhalb des eigenen Haushaltes erbracht wird“ (Statistik Austria, Wien 2008).

Laut einer Erhebung der Statistik Austria, die vom Bundesministerium 2006 in Auftrag gegeben wurde, leisten „43,8% der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren in irgendeiner Form Freiwilligenarbeit. Der Anteil bei den Männern beträgt 47,1% und bei den Frauen 40,7%. Besonders aktiv sind die 40- bis 59-Jährigen, von denen fast die Hälfte angab, sich für andere Personen zu engagieren. Auch die 20- bis 24-Jährigen und 30- bis 39-Jährigen weisen mit je 47% hohe Werte auf. Deutlich unter dem Durchschnitt liegt der Anteil der freiwillig Tätigen bei den Personen ab 70 Jahren.“

 

Besagter Freund jedoch war lästig: Im März 2010 hat er ihn mitgeschleppt zu einer Infoveranstaltung der FF Graz. Da dürfte der erste Funke übergesprungen sein. Kurze Zeit später fand eine Wehrversammlung statt – und da war es um Michael Lippitsch geschehen: „Ich hab teilgenommen und auch gleich unterschrieben!“ Von diesem Tag an war er als Freiwilliger dabei. „Der Eintritt bei der FF und der Austritt ist prinzipiell freiwillig und dazwischen ist quasi die Pflicht“, schmunzelt er. „Ich bin jetzt dort angemeldet, versichert und regelmäßig im Einsatz“ – nur besagter Freund, der ist noch immer nicht dabei!

Natürlich hat sich der heute 41jährige vorher intensiv informiert – über die Art der Einsätze, die Ausbildung, den Zeitaufwand. Die zahlreichen Weiterbildungsmöglichkeiten fand er spannend, „das ist auch im Privatleben nicht von Nachteil, es gibt eine Auffrischung an Rotkreuz-Kursen, eine Feuerwehrtauglichkeitsprüfung und regelmäßige Gesundheitschecks.“ Die Zeiteinteilung passte für ihn: „Man kann sich seine Dienste aussuchen und selbst im Onlinedienstplan eintragen. Da hab ich beschlossen, dass sich das irgendwie ausgeht für mich“. Was ihn speziell interessiert sind die technische Einsätze, „es brennt bei uns ja Gott sei Dank relativ selten“.

 

„122, wir sind dabei“

Die Freiwillige Feuerwehr (FF) Graz wurde im November 2008 ins Leben gerufen, um die Berufsfeuerwehr im Einsatz-, Großschadens- und Katastrophenfall zu unterstützen und ergänzen. Die Freiwilligen arbeiten ehrenamtlich, übernehmen Bereitschaftsdienste, springen ein, wann immer Not am Mann ist. Über 150 Männer und Frauen haben sich seither bereits als Mitglied gemeldet.

 

Was genau machen denn nun die Freiwilligen? „Während die Freiwillige Feuerwehr am Land alles macht, ist die FF Graz nur in bestimmten Bereichen aktiv, soll heißen, was Brandeinsätze angeht, fahren wir unter der Woche nicht aus, das macht alles die Berufsfeuerwehr. Um ein Löschfahrzeug sinnvoll besetzen kann, braucht man zumindest sieben Leute“. Noch sind es zu wenig Freiwillige, die unter der Woche Dienst machen, somit kann das große Fahrzeug nicht besetzt werden, das es für Brandeinsätze braucht. An den Wochenenden, wenn die Wache stärker besetzt ist, steht dann aber auch Brandbekämpfung am Plan. Dann rücken sie im Bedarfsfall mit dem großen, dem Tanklöschfahrzeug aus – hier haben die Freiwilligen ihren eigenen „Ausrückbereich“ im Bezirk Mariatrost, Teilen von Geidorf, St. Leonhard, Ries und Waltendorf.  „Im Prinzip besteht das Feuerwehrwesen aus zwei großen Bereichen, das eine sind Brandeinsätze, das andere sind technische Einsätze“, erläutert Michael Lippitsch. Unter der Woche fahren die Freiwilligen nur zu technischen Einsätzen mit dem Kleinalarmfahrzeug (KAF) aus – „das aber im kompletten Stadtgebiet“.

 

Derzeit stehen in der Wache Kroisbach in Mariatrost das große Tanklöschfahrzeug (TLFA 2000), ein 14-Tonner mit 2000 Liter Wasser für Brand- aber auch technische Einsätze, und das Kleinalarmfahrzeug (KAF) – vornehmlich für technische Einsätze -bereit. Für beide braucht man den C Führerschein. Zwei weitere kleine Fahrzeuge können mit B Führerschein gefahren werden.

 

Michael Lippitsch ist einer der wenigen, die alle Feuerwehrfahrzeuge lenken dürfen: „Während es für das KAF ca. zehn Fahrer gibt, sind es für das TLFA, schätze ich, nur fünf“. Das erklärt, warum der sympathische Grazer ein begehrter Mann ist – denn es gibt kaum ein Fahrzeug, dass er noch nicht gelenkt hätte. Er besitzt alle Führerscheinklassen, hat Autobusse gefahren und Schulbusse, er war mit LKWs unterwegs, er besitzt das Küstenschifffahrtspatent und das österreichische Donauschifffahrtspatent für Wasserstrassen, Flüsse und Binnengewässer – das heißt, fahren kann er fast überall, zu Wasser wie zu Land. Was noch fehlt, ist der Segelschein, „der kommt als nächstes dran“, wie Michael Lippitsch lächelnd erklärt.

 

Herr der Fahrzeuge

 

Als Fahrallrounder besitzt er selbst natürlich eine ganze Reihe an Fahrzeugen: Eine Touren Enduro zählt er dazu und, als Gründungsmitglied des Grazer Vespaclubs im Jahr 2000, auch eine alte Vespa, die er von seinem Vater übernommen hat und an der sein Herz hängt. „Baujahr 1970“, wie er stolz erzählt, „das gleiche Baujahr wie ich. Leider komm ich nicht so viel zum Vespafahren, aber trennen kann ich mich davon trotzdem nicht“.

Weiters zählt ein VW Bus (T1 Bulli) zu seinen Fahrzeugen – der derzeit allerdings auf seine Restaurierung wartet. „Auch dazu hab ich eine sehr persönliche Verbindung, weil mein erstes eigenes Auto, das ich mir damals um 7000 Schilling gekauft hab, war ebenfalls ein VW-Bus (Baujahr 1967) – mit der geteilten Windschutzscheibe und dieser wunderschönen mimikbetonten Front“, schwärmt er begeistert.

Seine langjährige Fahrpraxis („ 2,5 Millionen Kilometer werden´s bisher wohl schon sein“) kommt ihm als Fahrer bei der Feuerwehr zugute. Er ist sich seiner Verantwortung durchaus bewusst: „Ich muss ja  nicht nur auf die anderen Verkehrsteilnehmer achten, sondern bin auch für die Kollegen verantwortlich, die mitfahren  – auch wenn´s schnell gehen soll, man kann nicht davon ausgehen, dass andere richtig reagieren. Wenn man z.B. nachts durch`s Univiertel fährt, kann man auch mit Blaulicht nicht mit 80 durchrauschen, wenn Betrunkene auf die Strasse taumeln, da muss man jederzeit anhalten können“.

 

In Graz befindet sich die Zentrale bei der Berufsfeuerwehr am Lendplatz. Die Wache Kroisbach in der Mariatrosterstrasse 37 ist Arbeits – und Einsatzstützpunkt.

Am Gelände der Wache Süd in der Alten Poststrasse 412 finden die Wehrversammlungen und Feuerwehrübungen statt, teilweise auch verschiedene Ausbildungen.

 

Neben den Brand- und den technischen Einsätzen zählen schließlich noch die Brandsicherheitswachen zu den Aufgaben der FF Graz. „Alle größeren Veranstaltungen, die angemeldet werden müssen, haben bestimmte Auflagen in Bezug auf Brandschutz, Fluchtwege etc. zu erfüllen“. Michael Lippitsch ist dann einer derjenigen, die vor Ort dafür sorgen, dass die Vorschriften eingehalten, die Fluchtwege bis ins Freie freigehalten werden, die Fluchtweg-Notbeleuchtungen funktionieren usw.  Bälle, Zirkusse, größere Konzerte, Stadtfeste oder Eishockey-Spiele in der Liebenauer Eishalle gehören dann zu den Einsatzorten des 41jährigen. „Auch beim Faschingsumzug sind wir in der Innenstadt mit Löschrucksäcken unterwegs, müssen verschiedene neuralgische Punkte besetzen“.

 

Mit Blaulicht und „tatütata“

 

Warum aber engagiert sich ein Mensch unentgeltlich? Michael Lippitsch überlegt kurz: „Ich konnte schon immer schwer nein sagen“, lacht er dann, und: „ich habe immer gern geholfen, wenn mich jemand darum gebeten hat. Außerdem: Ich hab nicht so viel Geld zum Spenden, ich stelle lieber meine Arbeitskraft, meine Fähigkeiten zur Verfügung für die Allgemeinheit und helfe der Stadt Graz zu sparen“, meint er mit einem Augenzwinkern. Er ist eben ein Mann der Tat, einer der anpackt. Und keiner, der nur sein Gewissen mit ein paar Geldspenden beruhigen möchte.

Ein bisschen wurde ihm dabei wohl von den Eltern in die Wiege gelegt: „Der Vater hat Maschinenbau studiert, mit Auszeichnung, er ist ein gescheiter, belesener Mann und war als Techniker viel im Ausland unterwegs“. Seine Mutter beschreibt er liebevoll als „organisiertes Chaos“, als „Herzensmensch“, sozial sehr engagiert, sie war als Leiterin von Kindergärten und in der Erwachsenenbildung tätig.

„Ich habe mich auch immer schon brennend für Unfallforschung interessiert  – warum passieren Verkehrsunfälle und wie wären sie zu verhindern gewesen?“ Dabei geht es dem leidenschaftlichen Floriani nicht um Sensationsgier, sondern um´s wissenschaftliche Interesse. Das wiederum kommt nicht von ungefähr, schließlich war der Grazer sechs Jahre lang als Fahrlehrer tätig und „da ist man ständig mit dem Verkehrsgeschehen – und letztlich auch mit der Unfallverhütung – beschäftigt“.

 

Thema: work-life-balance?

 

Privat lebt Michael Lippitsch in Graz mit Lebensgefährtin Nicole und Sohn Paul, elf Jahre, „der mit der Feuerwehr so gar nichts am Hut hat“. Beruflich ist er mittlerweile seit vier Jahren im Außendienst tätig, „als Handelsreisender, wie man so schön sagt, im Bereich Industrie und Gewerbe, zuständig für Reinigungsgerätschaften vom kleinsten gewerblichen Hochdruckreiniger bis zur großen kommunalen Kehrmaschine“. Die ganze Süd- und Weststeiermark, Graz, die Obersteiermark und das Lavanttal bereist er, „50 bis 60 Wochenstunden werden´s schon sein“, die er also auch beruflich mit dem Auto unterwegs ist.

 

Unterstützung rund um die Uhr

Es gibt jeweils 12-Stunden-Bereitschaftsdienste von 7 bis 19 Uhr bzw. von 19 bis 7 Uhr. Die Freiwilligen kommen auf die Wache, können im Gemeinschaftsraum zusammensitzen, essen, plaudern, fernsehen. Es gibt Schlafmöglichkeiten, ein Büro, eine kleine Küche, Toiletten. „Wenn sich genügend Mannschaft einfindet am Wochenende, dann sind beide Fahrzeuge besetzt, sonst können wir nur das eine oder das andere fahren“.

 

Auf die Frage nach dem Zeitaufwand für die FF kommt ein kurzes, trockenes: „Viel!“ –

„Seit ich mit meiner Ausbildung fertig bin, mache ich jeden Dienstag Nachtbereitschaft auf der Wache. Außerdem springe ich oft ein, weil wir zu wenig Fahrer haben für`s große Löschfahrzeug“. Dazu kommen dann noch gelegentlich Brandsicherheitswachen, „in Summe sind es im Schnitt sicher zwei Dienste pro Woche, ganz abgesehen von Schulungen in der Feuerwehrschule Lebring – für die ich oft extra Urlaub nehme!“

Wie lässt sich das alles vereinbaren: Familie, Beruf und Feuerwehr? „Es braucht halt eine gute Zeiteinteilung“, überlegt Michael Lippitsch. „Ich mach z.B. nur Nachtdienste, denn ob ich daheim schlafe oder auf der Wache, ist egal. Ich kann oft durchschlafen, wenn kein Einsatz ist. Dann gehe ich ganz normal um 22 Uhr schlafen und steh um 6 Uhr wieder auf. Selbst wenn ein Einsatz ist, bin ich eben ein bis zwei Stunden unterwegs, dann kann man wieder weiterschlafen!“

 

Sein Hobby ist die Feuerwehr

 

Gibt es auch Platz für Hobbies im Leben des 41jährigen Familienvaters? „Nun ja, während andere ins Wirtshaus gehen und sich Alkohol in die Birne kippen oder ihr Geld im Casino verjubeln, geh ich zur Feuerwehr: Mein Hobby ist die Freiwillige Feuerwehr!“

Trotzdem, die lästige Frage: was macht er zum Ausgleich? Die (nicht überraschende) Antwort: „Dann setz ich mich aufs Motorrad und geb einmal ordentlich Gas. Ich bin auch gern am Wasser unterwegs“. Segeln und Motorbootfahren zählen zu seinen Leidenschaften.

Auch wenn der groß gewachsene, schlanke Mann mit dem dichten kurzen Haar sehr sportlich aussieht „ich muss gestehen, ich mach zurzeit kaum Sport, gelegentlich Rad fahren, aber ich bin sowieso bei der Feuerwehr viel in Bewegung“.

Wie er zugibt, kommt sein Privatleben derzeit wohl etwas zu kurz, „ich bin schon sehr eingespannt“,  da bleibt keine Zeit und Energie, um viel darüber nachzudenken. Größere Wünsche oder Pläne stehen derzeit nicht an. „Gesundbleiben“ ist das Wichtigste.

 

Auf der Schnellspur des Lebens

 

Was seine Lebensplanung betrifft „kann ich wohl sagen, ich bin noch am Weg, hab noch keine Ahnung, wo der genau hinführt. Ich bin halt ein Spätberufener“, wie er von sich selbst sagt. Doch er ahnt, dass er „zu sehr mit Dingen verhaftet ist, die nicht Lebensinhalt sein können.“ Derzeit ist der technikbegeisterte Mann in seinem Leben wohl auf der Schnellspur unterwegs und „angekommen bin ich noch lange nicht, Veränderungen, Nachjustierungen im Leben stehen sicher an“, wie er zugibt, „ich bin nicht gar so zufrieden, weil ich zu vielem nicht komme, dass mir wichtig ist“. Bei seinem Tempo bleibt manches halt auf der Strecke.

 

Ich will Feuerwehrmann/frau werden!

Ab 10 Jahren kann man Mitglied bei der Feuerwehrjugend werden. „Die Jugendlichen erfahren dabei die Grundbegriffe von Brandbekämpfung, Gerätekunde, Erster Hilfe, Zivilschutz und dergleichen mehr… Besonderer Wert wird auf Kameradschaft und soziale Kompetenz bei Sport und Spiel gelegt.“ (Auszug aus der Infobroschüre der FF Graz).  Ab 16 Jahren kann jede/r aktives Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Graz werden. Voraussetzungen sind einwandfreier Leumund, ärztliche Tauglichkeit und Teamgeist.

 

Was sagen andere zu seinem Engagement, seine Familie, Freunde, Arbeitskollegen?

„Völlig irr – freiwillig und unentgeltlich auf der Wache hocken, das versteht kaum jemand! Manchmal hab ich schon das Gefühl, ich muss mich rechtfertigen, es versteht keiner, dass man sich freiwillig so engagiert.“ Ansonsten ist es kaum Thema im privaten Umfeld. „Die Familie ist glücklich, dass ich so wenig daheim bin“, lacht Lippitsch. Nur mit einer Kollegin im Job, deren Mann ebenfalls bei Feuerwehr ist – „da gibt es manchmal Gespräche.“

Aber dann, doch ein wenig wehmütig, meint er: „Paul, mein Sohn, fragt schon manchmal: Papa, warum musst du so oft zur Feuerwehr? Es ist schon ein hoher Preis, den ich zahl, ich sehe meinen Sohn viel zu wenig, und wenn, dann bin ich oft zu erschöpft für sinnvolle Unternehmungen. Dabei ist Paul ist so quirlig und sehr intelligent.“

Der Grazer Feuerwehrmann ist keiner, der sich aufdrängt, unbedingt im Mittelpunkt stehen muss, er ist einer, der einfach anpackt, wenn Not am Mann ist, der nicht lange fackelt, sondern einfach tut. „Im Grunde bin ich ein fröhlicher, lustiger Mensch, sehr, sehr hilfsbereit, ich schau meist mehr auf andere als auf mich, und wenn wer Hilfe benötigt, spring ich auf und bin sofort da!“ Das ist auch sein Zugang zur Feuerwehr, weil die Feuerwehr auch da ist, um anderen Menschen, die in Not sind, zu helfen.

 

Stille Helden des Alltags

 

Auf einen Einsatz hin befragt, der ihm besonders in Erinnerung geblieben ist, berichtet er:

„Eines Nachts, ich hab schon geschlafen, es war vielleicht zwei Uhr, geht das Alarmlicht los und der 3er Gong, das bedeutet, es muss rasch gehen“. Der Floriani springt auf, schlüpft in seine Kleidung, währenddessen werden über den Lautsprecher Alarmstichworte durchgesagt – in der Fahrzeughalle wird eilig das Tor aufgemacht, alle Diensthabenden fahren in Windeseile in die bereitgestellten Hosen und Stiefel, dazu die Schutzjacke, Helm auf und schon sind sie im Fahrzeug. “Sobald man in Auto sitzt, ist man hellwach. Als Fahrer muss ich außerdem sofort wissen, wie komm ich dorthin, ich kenn mich in Graz Gott sei Dank recht gut aus“. Einsatzort war diesmal der Bahnhof, eine Diesellok ist umgekippt. „Es war stockdunkel, dichter Nebel, kaum etwas zu sehen. Wir sind zu dritt mit Taschenlampe und Funkgerät losgerannt, die Lok hing an einem Strommasten! Es waren Arbeiter da, aber es war klar, da können wir allein nicht viel ausrichten, da muss die Berufsfeuerwehr nachalarmiert werden.“ Sie haben hart daran gearbeitet, den Treibstoff aufzufangen, damit nicht alles ins Erdreich rinnt – „mehr können wir von der FF da nicht tun“. Gute zwei Stunden später ist der Einsatz beendet. Die Mannschaft fährt zurück zur Wache, kümmert sich darum, dass das Fahrzeug wieder einsatzbereit ist. Dann erst können sich alle wieder hinlegen und weiter schlafen

 

Solange es nicht im Einsatz ist, gilt für das Feuerwehrfahrzeug „Status null“. Sobald es auf der Fahrt ist zum Einsatzort wird auf „Status eins“ gestellt. Am Einsatzort angekommen heißt „Status zwei“ und „Status drei“ bedeutet schließlich: auf der Rückfahrt. Damit ist die Zentrale jederzeit und aktuell über Aufenthaltsort und Einsatzmöglichkeit der Mannschaft informiert.

 

Michael Lippitsch erklärt: „Man unterscheidet eine Einsatzfahrt, wenn nicht unmittelbar Gefahr in Verzug ist, da ist man ohne Blaulicht unterwegs, und eine Alarmfahrt, da rückt man mit dem großen Tankauto und mit Blaulicht aus“. Wann werden die Freiwilligen überhaupt zum Einsatz gerufen? Der Feuerwehrprofi zählt auf: „Verkehrsunfälle aller Art, wenn sich ein Auto überschlagen hat, Öl ausfließt, das wir binden müssen, wenn es gilt, Baustellen abzusichern, weil sich vielleicht eine Abdeckplatte verschoben hat, wenn jemand ein Verkehrsschild niedergemäht oder einen Lichtmasten umgefahren hat, den wir dann mit der Motorsäge umschneiden müssen. Manchmal sind umgestürzte Bäume zu entfernen,

Wohnungen oder Keller auszupumpen oder im Winter auch mal ein Dach von der Schneedecke zu befreien, bevor die Lawine abgeht.“ Die Aufgaben und Einsätze sind vielfältig. Und bei Großschadensfällen wird natürlich auf jeden verfügbaren Mann zurückgegriffen, wobei „in unseren Breiten am ehesten Wasserkatastrophen und Waldbrände vorkommen“, wie Michael Lippitsch meint.

Und wie geht man um mit dem Schrecken, dem Leid, mit dem man manchmal konfrontiert ist? Er hat noch nicht groß darüber nachgedacht, wie man belastende Erlebnisse seelisch verdauen kann. „Ich bin nicht der, der reingeht zum löschen, ich bin Fahrer und Maschinist, das heißt ich bin der, der sämtliche Gerätschaften bedienen darf, z.B. Notstromaggregate, Pumpen, etc. Bisher hat die FF Graz zwei- oder dreimal Tote geborgen, da war ich aber noch nie dabei“. Außerdem: die gröberen Sachen macht ohnedies die Berufsfeuerwehr, wir kommen dann zum „aufräumen“. Es gäbe wohl eine interne Anlaufstelle, wenn man Ereignisse schwer zu verdauen sind, auch einen Feuerwehrseelsorger. „Und natürlich redet man mit Kollegen über die Ereignisse und Einsätze, es gibt Nachbesprechungen.“

Dass er auch selbst ein gewisses Risiko auf sich nimmt, ist ihm nicht so bewusst, „ich seh das nicht so dramatisch.“

 

Ausbildungen der FF Graz

Die Grundausbildung (GAB 1 und GAB 2) verläuft in 3 Etappen über einige Monate.

Unterrichtet wird Theorie und Praxis. Danach gibt es weitere Ausbildungen, die im Modulsystem organisiert sind, beispielsweise „Technik 1 und 2“, „Maschinist“ und „Gerätemeister“ oder der „Funkgrund- und Aufbaukurs“. Man kann sich zum Atemschutzgeräteträger, zum Feuerwehrtaucher oder Gruppenkommandanten ausbilden lassen. Nach Absolvierung einer Spezialausbildung können Brandsicherheitswachen bei Veranstaltungen geleistet werden, um vor Ort für die Sicherheit der Teilnehmer zu sorgen. Die Freiwillige Feuerwehr Graz veranstaltet regelmäßig Übungen, in denen das einsatztechnische Wissen erweitert und erprobt werden kann (aus: www.ff-graz.at).

 

„Die Zusammenarbeit, das Hand-in-Hand-arbeiten ist besonders wichtig“, betont Michael Lippitsch, denn „es geht um Sicherheit, um Menschenleben, deshalb müssen alle Handgriffe sitzen, gewissenhaft, ordentlich und genau!“

Er selbst hat nach seiner Ausbildung zum „Maschinist“ im Sommer 2010 angefangen, Einsätze zu fahren. Den Umgang mit Gerätschaften hat er im „Technik 1“ Kurs weiter vertieft, auch den „Gerätemeister“ und den „Funkkurs“ hat er bereits hinter sich gebracht.

Für dieses Jahr sind noch „Technik 2“, der „Atemschutzgeräteträger“ und „Absturzsicherung und Menschenrettung“ geplant. Die Kurse dauern meist zwei, drei Tage, „entweder am Wochenende oder ich nehm ich mir extra Urlaub dafür!“

 

Vielfältig engagiert

 

Abgesehen von seiner Fahr- und Feuerwehr-Karriere kann der attraktive 41jährige noch auf eine beachtliche Berufsvielfalt zurückblicken. „Ich hab immer wieder nebenbei gemodelt“, als Teamcoach hat er Events betreut und in jungen Jahren in einem Reitstall mitgearbeitet.

Als besonders spannend hat er das Theaterprojekt „Mein Körper gehört mir“ vom „Österreichischen Zentrum für Kriminalprävention“ erlebt. Bei diesem Schulprojekt gegen sexuellen Missbrauch von Kindern, das für dritte und vierte Volksschulklassen konzipiert ist,

war Michael Lippitsch ein Jahr lang in Schulen unterwegs. „Ich habe mit einer Partnerin ein interaktives Theaterstück in Schulen aufgeführt. Es sollte Kindern vor Augen führen, wie schnell man in gefährliche, heikle Situationen kommen und wie man sie vermeiden kann.“

Als engagierter, hilfsbereiter Mensch ist er auch damals sehr oft eingesprungen, war oft jeden Tag in verschiedenen Schulen und „mit sehr viel Leid konfrontiert!“ Das hat ihn doch sehr betroffen gemacht und war letztlich auch für ihn eine spürbare psychische Belastung. Dennoch möchte er diese Zeit nicht missen, „ ich arbeite gern mit Kindern, sie sind so ehrlich, sagen, was sie denken“.

Seine Berufung sieht er auch heute darin, Menschen zu helfen, anzuleiten, zu zeigen, wie etwas geht, funktioniert, ob als Theaterpädagoge, als Feuerwehrmann, als Fahrlehrer oder selbst im Einsatz mit seinen Reinigungsgeräten – „auch dabei geht es darum, wie kann ich mir leichter tun, wie effizienter reinigen“.

Seit März 2011 ist Michael Lippitsch auch als Rechnungsprüfer bei der FF Graz aktiv. Er ist einer von jenen, die still und unaufgeregt ihre Arbeit tun, die sich einsetzen zum Wohl der Gemeinschaft – oft unbemerkt und unbedankt.

Spät am Abend, es klingelt, nein, diesmal nicht der Gong, der zum Einsatz ruft, sondern der Pizzadienst, der vor der Tür steht – denn auch die Florianis brauchen Stärkung, für den Fall, dass es heute Nacht wieder „heiß“ hergeht. Und Michael Lippitsch ist auch diesmal wieder dabei!

 

Kontakt: Freiwillige Feuerwehr der Landeshauptstadt Graz

Alte Poststrasse 412, 8055 Graz Puntigam

www.ff-graz.at