
Notizen einer Reise: mit dem Motorrad durch Rumänien
(Teilveröffentlicht: Die Woche, Klipp, 1996)
Rumänien. Knappe sechs Jahre nach dem Sturz Ceausescus. Sechs Jahre nach dem Schrei nach Brot, nach Freiheit. Was ist geschehen in diesem Land seither? Früher einmal, vor Ceausescus gewaltigen Umsturzplänen, war Rumänien durchaus eine Reise wert. Alternativtouristen haben geschwärmt von diesem Fleckchen Erde. Siebenbürgen, die Walachei, die Schwarzmeerküste sowieso. Und heute?
Viele meiner Freunde erklären mich für verrückt… Mit dem Motorrad nach Rumänien! Die politische Lage sei zu unsicher, es gebe nichts zu essen, keine Hotel oder Pensionen, die Kriminalität sei ausgeufert, die Straßen schlecht, und Tankstellen gebe es auch keine. Und überhaupt: ich bin noch nie am Motorrad gesessen! Was soll`s? Ich habe einen erfahrenen Piloten, und ich will dieses geheimnisumwitterte Land kennenlernen.
Am Tag der Abfahrt fängt es an zu regnen. Wir fahren trotzdem, und der Regen lässt bald wieder nach. Diese kurzen Regenschauer sollen uns die ganze Reise lang begleiten. Beinahe jeden Tag werden wir in Rumänien die halbe Palette der Wetterkarte erleben. Quer durch Ungarn fahren wir erst, vorbei am Plattensee, durch die Randgebiete von Budapest, Richtung Grenze. Der Grenzübergang bei Artand – gespenstisch: ein flacher Gebäudekomplex, völlig unpassend in die Gegend gestellt, schwer bewaffnete patrouillierende Soldaten mit abweisenden, ernsten Gesichtern, Schmutz, alles grau in grau. Es ist kaum was los, nur wenige treten wohl eine Reise nach Rumänien an. Wir haben etwas von einem Visum gehört, das man beim Grenzübergang erhalten sollte – weder bei der Ein- noch bei der Ausreise spricht jemand von einem Visum. Die Formalitäten sind rasch erledigt. Wir bekommen unsere Stempel in die Pässe, und dann tuckern wir vorsichtig los in dieses fremde, geplagte Land. Die Landschaft verändert sich erst nur unmerklich. Wir fahren ein paar Kilometer auf der Landstraße und mir ist ein wenig mulmig zumute. Alles wirkt irgendwie verlassen, öde. Wenig Menschen, kaum Verkehr, nur Wiesen und Felder, vereinzelt verschmuddelte, kleine flache Häuser in die Landschaft gedrückt. Und immer wieder: grauenhafte Industriegeschwader, in eine sonst unverformte Natur gesetzt. Was jedoch das schlimmste ist: dieser fürchterliche Gestank. Vor allem von PKWs und Lkws, die schwarze Nebelfahnen hinter sich herziehen. Sogar der Himmel wirkt schwärzlich. In mir wächst der Wunsch nach einer Atemschutzmaske.
Oradea – eine Stadt, wie sie mir aus Griechenland bekannt ist: laut, lärmig, voll geschäftigen Treibens, ungepflegt, schmutzig. Es spielt sich ab in den Straßen: klapprige Autos mit schwarzen Rußfahnen, Lkws und Pferdefuhrwerke holpern gleichermaßen im wilden Tempo durch die Stadt. Die Straßenbahnen und Busse halten offensichtlich nur mehr aus Gefälligkeit zusammen, aber sie halten. Dazwischen auf den Verkehrsinseln, in den Seitenstraßen, auf jedem einigermaßen grünen Fleckchen Erde kauern Menschen, schlafend, essend, dösend. Die meisten dunkelhäutig, in Lumpen gehüllt, mit ihren Kindern und Tieren und ein paar wenigen Säcken, die sie um sich herum verteilt haben. Zigeuner, Obdachlose, nehme ich an. Armselig, und dennoch nicht trostlos. Das Land ist arm, gewiss, aber man spürt das Leben, den Stolz, den Flair des Südens. Und doch – Oradea ist eine reine Durchzugsstadt. Hier hält es keinen Reisenden lange, und ich bin froh, als wir wieder draußen sind.
Danach verändert sich die Landschaft allmählich: die Ebene wächst an zu sanften Hügeln, Bergketten. Auf den langen Strecken zwischen den größeren Orten scheint die Zeit noch stillgestanden zu sein: viele Dörfer, die sich gleichen. Flache, verwinkelte Häuser in bunten, abgeblätterten Farben, oft nur raue Ziegel- oder Betonwände, halb verwittert, nicht fertiggebaut, schmiegen sich entlang der Straßen eng aneinander. Die Menschen schauen uns nach, kleine Kinder winken zaghaft. Und überall Kirchen, ob kleine Kapellen oder riesige Kathedralen – Kirchen gibt es in diesem Land im Überschuss. Und Tiere: Pferde, Kühe, Schweine, Schafe, Gänse, Hunde. Sie laufen frei herum und müssen als Verkehrsteilnehmer ebenso beachtet werden wie die klapprigen Pferdefuhrwerke.
Wir holpern die Straßen entlang Richtung Cluj-Napoca (Klausenburg). Unterwegs Rast in einem Restaurant am Berg. Es ist wenig los. Am Straßenrand sitzen Frauen, die nähen und sticken. Auf unserer weiteren Reise werden wir sehen, dass die Frauen hier überall ihre Handarbeit feilbieten. Sie sitzen vor ihren Häusern, arbeiten und haben daneben ihre Tischtücher und bestickten Decken zum Verkauf aufgehängt. Als wäre Rumänien das reinste Fremdenverkehrsland, in dem sich die Touristen nur so stürzen auf Souvenirs und Handarbeiten. Doch Touristen sehe ich kaum. Auf der ganzen Reise treffen wir vielleicht eine Handvoll Westeuropäer. Und ich frage mich, wer diese zweifellos schönen Werke kaufen soll? Die Speisenkarte im Restaurant ist nicht gerade üppig: es gibt Schweinekotelett mit Pommes frites oder Schweinekotelett mit Pommes frites. Unnötig zu erwähnen, wofür wir uns entschieden haben. Aber immerhin: wenn man Hunger hat, bekommt man etwas zu essen. Die Unkenrufe meiner Freunde haben sich in diesem Fall nicht bewahrheitet. Auch dass die Straßen kaum zu befahren wären, stimmt nur halb. Wir holpern und rumpeln zwar etwas durch die Gegend, aber so schlimm ist es nicht. Und Tankstellen scheint es genug zu geben. Und es werden nahezu wöchentlich mehr. Es wird gebaut und gebaut. Noch etwas sticht dem ahnungslosen Rumänien-Reisenden sofort ins Auge: Coca-Cola und Pepsi haben die Welt erobert – und auch vor Rumänien nicht halt gemacht. Egal wie ärmlich ein Dorf auch wirken mag, die Cola-Schilder sind überall. Kein noch so kleines Lokal, dass dieses Getränk nicht anbieten würde. Cola bekommt man immer und überall.
Gegen Abend trudeln wir ein in Klausenburg. Wie auch bei allen anderen Städten, die wir noch sehen werden, müssen wir uns erst durch trostlose Vorstädte durchkämpfen. Riesige, schmutziggraue Beton-Wohnsilos reihen sich aneinander, der Verkehr wird stärker. Aber dann im Stadtkern verändert sich das Bild. Großstadtcharakter. Schöne Bauten, unzählige Geschäfte, buntes Treiben auf den Straßen. Stände mit fast-food, Brezeln, Getränken. Auch das soll uns weiterhin begleiten, die Verkaufsstände in den Städten, Orten, entlang den Straßen, an denen so ziemlich alles angeboten wird, was man sich vorstellen kann: Zigaretten, auch einzeln zu kaufen, Waschmittel, Zahnpasta, Schokolade, Unterwäsche, Obst, Gemüse, Deos, ein kunterbuntes Durcheinander an Waren. Und überall auch die Zeitungsstände, bei denen Bücher angeboten werden. Computerbücher, hohe Literatur, vergilbte Schundromane oder Sigmund Freud-Biographien springen mir ins Auge, das meiste in Rumänisch, hin und wieder stolpert man auch über Werke in englischer oder französischer Sprache. In den größeren Städten findet man stets auch Verkaufsstände mit Kassetten und CDs, spottbillig, wie alles andere auch, die ganze Hitparade rauf und runter. Von jedem Stand dröhnt eine andere Number One. Man kann hier direkt auf der Straße einkaufen, so im Vorbeigehen.
Wir finden schließlich ein Hotel – wir haben übrigens immer und überall problemlos Unterkunft gefunden – ein großer, alter Bau mitten im Zentrum. Zimmer mit Bad und Frühstück. 67.000 Lei, die inflationäre Landeswährung, geschätzt 350 Schilling für zwei Personen. Die Hotelzimmer verschlingen in Rumänien noch das meiste Geld, alles andere ist kaum der Rede wert. Umgerechnet ein paar Schilling lässt man in den Lokalen für Kaffee oder andere Getränke liegen. Wobei der Kaffee oft kaum zu trinken ist, weil unsere Gaumen derartige Brühen eher als Abwaschwasser einschätzen, aber wenn man Glück hat, gibt es Espresso oder türkischen Mokka – schwarz, heiß und süß.
Am nächsten Morgen lassen wir uns durch die Straßen treiben, zum Markt, auf dem alles angeboten wird, was die Erde hier zu bieten hat: Melonen, Kartoffel, Knoblauch, Melanzani, Tomaten, Gurken, Birnen. Dazwischen Fische und Gewürze, Kräuter und Fleisch. Es ist eine wahre Wonne, über diesen Markt zu schlendern mit seinem Stimmengeschwirr, begleitet von den köstlichsten Gerüchen. Wir suchen die Babes-Bolyai-Universität, bekannt dafür, dass hier weltweit der einzige Lehrstuhl für Höhlenforschung zu finden ist. Auf der Piata Libertatii dann die imposante gotische Michaelskirche mit dem Reiterstandbild von Ungarns König Matthias Corvinus – gigantische Bauten allerorts, zwischen denen die Menschen wie Ameisen herumkrabbeln. Hier in Klausenburg wird noch am wenigsten renoviert – weiter Richtung Osten findet man kaum mehr ein Städtchen, das nicht von Baustellen übersät ist. Ganz Rumänien scheint derzeit eine einzige große Baustelle zu sein. Es wird gehämmert und gebaut, eingerüstet, aufgerissen, abgebrochen, erneuert, wiederhergestellt. Nicht so in Klausenburg. Hier hängen die Strom- und Telefonkabel noch in wirren Knäueln von den Hauswänden, die Gehsteige haben Löcher und Wölbungen, die Straßen sind aufgebrochen, doch die Menschen eilen geschäftig darüber hinweg.
Gegen Mittag brechen wir auf, weiter Richtung Turda. Wir suchen die Turda-Klamm, im Reiseführer sehr romantisch beschrieben: ein Wildbach, der zwischen steilen, bis zu 300 Meter hohen Felswänden mit Säulen und Höhlen dahinrauscht. Eine einsame, holprige Straße, die hauptsächlich den Viehtreibern zu dienen scheint, führt uns zur Klamm. Davor winzige kleine Hütten, in denen Besucher übernachten können, ein kleiner Laden, in dem es Getränke, Süßigkeiten und Zigaretten zu kaufen gibt, aber leider sonst nichts zu essen. Wir würden gerne die Nacht über hierbleiben, denn es ist tatsächlich wunderschön, wild und romantisch, aber wir haben nichts mit zu essen, und der Nachmittag neigt sich bereits dem Abend zu. Wir spazieren ein Stückchen die Klamm entlang. Ein kleiner Weg schlängelt sich neben dem Flussbett, in dem klares, sauberes Wasser fließt. Es scheint ein beliebtes Ausflugsziel der Rumänen zu sein, den man trifft pausenlos auf Wanderer, die zum Teil in dünnen Sommersandalen über Felsbrocken klettern und waghalsig die schwankenden, rutschigen Brücken überqueren. Wir müssen weiter, schweren Herzens, aber es ist noch weit bis Alba Iulia (Karlsburg), unserem nächstem Ziel. Gegen Abend treffen wir ein in diesem Städtchen, nehmen das erstbeste Hotel, das wir finden können – das Park Hotel, ein moderner Bau, zwei Sterne.
Wir irren durch das Städtchen mit knurrendem Magen. Im Zentrum finden wir modernste Bauten, viele Banken, voluminöse Rohbauten und exquisit ausgestattete Delikatessenläden. Aber nur wenige Straßen weiter werden die Häuser kleiner, schmuddeliger, die Straßen holpriger, sticht dem Besucher wieder die Armut des Landes ins Auge. Kein Restaurant ist aufzutreiben. Wir gehen zurück ins Hotel, das wie ausgestorben scheint. Aber wir bekommen etwas zu essen. In einem holzgetäfelten Raum mit einer riesigen Tafel wird für uns gedeckt, und wir schlagen uns die Bäuche voll mit Ciorba, einer kräftigen, typisch rumänischen Suppe, in der von Gemüse bis Fleisch alles zu finden ist, und Mititei, das sind Würstchen in den verschiedensten Variationen, die allerorts in Rumänien auf der Speisenkarte stehen. Was wir kein einziges Mal probieren konnten, war der Tuica, der in unserem Reiseführer hochgelobte selbstgebrannte Zwetschgenschnaps, eine heimische Spezialität.
Am nächsten Morgen brechen wir auf Richtung Sibiu (Hermannstadt). Hier fand sich einst der größte Teil der deutschsprachigen Bevölkerung Siebenbürgens. Sibiu ist ein dramatisches Gemisch aus alt und neu. Grässliche Vororte, armselige Häuschen, und im Zentrum wieder modernste Neubauten und eine entzückende Altstadt mit Pflasterstraßen, eindrucksvollen Kirchen und Kathedralen, romantisch-verträumten Gässchen und Hinterhöfen. Wir besuchen das Brukenthal-Museum, das in einem alten Palais aus der Barockzeit untergebracht ist. Hier findet sich die bedeutendste Kunstsammlung des Landes. Über 900.000 Exponate sind laufend ausgestellt, unter anderem auch Rubens, van Dyck und Breughel.
Angeblich eines der besten Hotels des Landes befindet sich im Stadtkern, das Imparatul Romanilor, ein 3-Stern-Hotel aus dem 16. Jahrhundert, in dem einst Kaiser Joseph II. genächtigt haben soll. Wir nehmen ein Doppelbettzimmer um 80 Dollar die Nacht. Und machen Bekanntschaft mit der landestypischen Art, Feste zu feiern. Im Haus findet eine Hochzeitsfeier statt, in einem Saal direkt unter unserem Fenster, mit geöffnetem Kuppeldach. Die Band spielt bis in die frühen Morgenstunden in voller Lautstärke, es wird getanzt, geklatscht, gesungen. Für uns ist an Schlaf nicht zu denken. Etwas übernächtigt treten wir also am nächsten Morgen die Weiterfahrt an.
Rumänien – ein Land im Aufbruch
Ein Land, in das die Touristen scharenweise strömen, ist Rumänien sicher nicht, wird es auch noch lange nicht sein. Aber es tut sich einiges in diesem ehemaligen Ostblockland. Rumänien ist im Umbruch – man findet kaum mehr ein Städtchen, das nicht von Baustellen übersät ist. Allerorts wird gehämmert und gebaut, eingerüstet, aufgerissen, abgebrochen, erneuert, wiederhergestellt. Banken, Hotels und Tankstellen schießen wie die Schwammerl aus dem Boden.
Das „Land jenseits der Wälder“, lautet die korrekte Übersetzung des geheimnisumwitterten Transsilvanien, um das sich die Legenden von Graf Dracula ranken. Brasov, Sibiu, Cluj-Napoca oder zu deutsch: Kronstadt, Hermannstadt, Klausenburg, sind nur einige der sehenswerten Stationen im Herzen des Landes – die Namen stammen von den ursprünglich deutschen Siedlern, die ab dem 12. Jahrhundert ins Land kamen und dem Gebiet einen neuen Namen verliehen: Siebenbürgen. Und auch wenn die Vorstädte meist trist und trostlos erscheinen – riesige, schmutziggraue Beton-Wohnsilos reihen sich aneinander – im Stadtkern verändert sich stets das Bild.
Wunderschöne Bauten, prächtige Kirchen und Kathedralen, kopfsteingepflasterte Altstadtzentren, gut ausgestattete Geschäfte und ein buntes Treiben auf den Straßen zeugen von Fortschritt inmitten der Tradition.
Eine reiche Auswahl an mittelalterlichen Kirchen und Bauwerken bietet Kronstadt. Hier ist der Fortschritt am offensichtlichsten. Moderne Geschäfte, eine vielfältige Auswahl an Restaurants, attraktive Ausflugsziele und verschiedenartigste Wintersportmöglichkeiten werden Kronstadt in Kürze wieder zu einem touristischen Mittelpunkt machen. Lohnenswert bei einer Rundfahrt durch Rumänien ist auf jeden Fall auch ein Abstecher nach Sighisoara (Schäßburg). Die gesamte Altstadt steht unter Denkmalschutz. Die mächtige Burg in ihrer Mitte ist eine Attraktion für sich. Den Knoblauch nicht vergessen, denn hier steht das Vlad-Dracula-Haus, in dem die Draculesti-Familie um 1430 gewohnt haben soll.
Die Armut hat das Land käuflich gemacht: westliche Firmen haben mancherorts ihre grauenvollen Industriekomplexe in eine unberührte Natur gestellt (weil sich meist kein anderes Land dazu bereit erklärte): eines der erschreckendsten Beispiele liegt bei Medias in Siebenbürgen: in das ehemalige Obst- und Weinbaugebiet wurde in den 60er Jahren ein Fabrik zur Rußproduktion gestellt. Die Landschaft rundherum ist tot, schwarze Baumstümpfe entlang der Straße sind die Relikte dieses Dramas.
Rumänien ist ein Vielvölkerstaat mit knapp 24 Millionen Einwohnern: Ungarn, Deutsche, Türken, Griechen, Bulgaren, Armenier, Polen und Zigeuner leben hier. Ein konzentrierter Schmelztiegel vieler Rassen und Nationen ist vor allem Bukarest, die Hauptstadt im Süden des Landes, in der Walachei. Hier hat auch Ceausescu seinen Größenwahn sichtbar gemacht hat: um 3,5 Milliarden Dollar hat er sich im Herzen der Stadt seinen Palast errichten lassen und einen guten Teil der Altstadt dafür geopfert. Auf 450.000 Quadratmetern finden sich Prunkräume und Büroflächen; das Casa Republicii, wie der Palast sinnigerweise genannt wurde, gilt als zweitgrößtes Gebäude der Welt – errichtet auf Kosten eines hungernden Volkes. Die breite Prachtallee davor mit einer Kette von Springbrunnen am Mittelstreifen wurde mit luxuriösen Bauten gesäumt, die heute Nobelgeschäfte von Ray Ban, Mercedes und Lacoste beherbergen. Ein paar Gassen weiter erschaudert man angesichts halbverfallener Häuser, deren Fassade renoviert wurde, während der Innenteil völlig verkommen ist – offensichtlich wollte sich Ceausescu den Anblick des Elends ersparen – Potemkinsche Dörfer!
Bukarest ist insgesamt eine spannungsgeladene Mischung aus alt und modern, aus Armut und Luxus: monumentale Bauwerke und verkehrsreiche Straßen, Slums und bettelnde Kinder, fast-food-Ketten und Shoppingcenter, Baustellen, Parkanlagen und eine kopfsteingepflasterte Altstadt, Nobeldiskotheken und ein quirliges Treiben auf den Straßen – eine Großstadt, die zu Unrecht im Abseits steht. Nur wenige Touristen scheint es in dieses geplagte, zähe und kontrastreiche Land und seine Metropole zu ziehen.
Trotz seiner unglaublichen Sammlung an Kunstschätzen, seiner geschichtsträchtigen Vergangenheit, den herrlichen Wäldern und den langen Strecken unberührter Natur und der Freundlichkeit der Bevölkerung – der einzige Anziehungspunkt scheint bislang nach wie vor die Schwarzmeerküste zu sein.