Angst ist ok
Wir leben gerade in einem Ausnahmezustand. Alles ist anders. Nichts wie gewohnt. Neue Nachrichten prasseln nahezu minütlich auf uns ein, Schreckensszenarien werden geschildert, Horrormeldungen machen die Runde. Kaum jemanden lässt die derzeitige Situation unbeeindruckt.
Es ist normal, jetzt Angst zu empfinden!
Angst ist dazu da, uns zu warnen, auf etwas aufmerksam zu machen, unseren Blick auf das zu lenken, was gefährlich sein könnte. Unser Körper, unser Nervensystem, unsere Hormone spielen verrückt, schießen über. Das ist als normal! Das ist von der Natur seit jeher so vorgesehen. Diese Reaktionen sollen uns schützen! Sie machen uns bereit zu Aktion, wenn nötig, zu Kampf oder Flucht.
Konzentrierte Arbeit ist schwer derzeit! Viele bemerken, dass sie unproduktiv, unkonzentriert, unkreativ sind, sich leicht ablenken lassen. Unser aufgescheuchtes Gehirn rattert weiter im Hintergrund, es lässt sich nicht so leicht beruhigen. Wir sind nebenbei (oder hauptsächlich) mit Nachrichtentickern beschäftigt, diskutieren auf Skype, Whatsapp und Facebook, scrollen uns durch Corona-Postings von Menschen, die ebenso von der Krise gebeutelt werden.
Die Auswirkungen von Angst und Stress sind vielfältig: Mangelnde Konzentration, gedankliches Blackout, Vergesslichkeit, Stimmungsschwankungen, erhöhte Fehlerhäufigkeit, flaues Gefühl im Bauch, Durchfall, Übelkeit, kalte Finger und Zehen, Schweißausbrüche, erhöhter Blutdruck, vermehrtes Grübeln, Schlaflosigkeit usw.
Die typischen Stresssymptome eben. Eine normale Reaktion auf eine bedrohlich erlebte Situation. Was aber heißt das jetzt für uns?
Wir können lernen, die Angst im Zaum halten. Die Angst an der Hand zu nehmen. Sie zu akzeptieren – und trotzdem versuchen, ein Zuviel an überschießenden Reaktionen hintanzuhalten. Angst und Panik helfen uns jetzt nicht weiter!
„Kühlen Kopf bewahren“, sagt man gerne in Gefahren- und Ausnahmezeiten.
Was ist zu tun? – ist die erste Frage. Daheim bleiben, sich und andere schützen, gut auf sich achtgeben … helfen, wo es möglich und nötig ist.
Ansonsten gilt für viele: abwarten. Versuchen, die überschießende (Stress-)Energie runterzuregulieren. Sie in konkretes Tun, Helfen, in Aktivität umzusetzen. Manche von uns arbeiten derzeit bis zur Erschöpfung – da bleibt ohnehin kaum Energie übrig. In diesem Fall heißt es, trotzdem einen guten Ausgleich zu suchen. Atemübungen sind ein ungeheuer wirksames Mittel, um sich zu erden, zu beruhigen, zu sammeln, um wieder in seine Mitte, ins Hier und Jetzt zu kommen.
Entspannungsübungen aller Art können helfen. Suchen Sie sich Unterstützung im Netz – Videos, Anleitungen, Podcasts, Meditationsübungen, Entspannungsmusik – tun Sie sich im Bedarfsfall mit Freunden per Chat, Video etc. zusammen … egal was, Hauptsache, es tut gut!
Manchmal hilft es auch, zu weinen, zu klagen, sich die Decke über den Kopf zu ziehen! Vorübergehend. Das kann entlasten, erleichtern. Damit man danach wieder aufstehen und seinen Alltag weiterleben kann…
Denn Struktur, Regelmäßigkeit, ein durchgetakteter Tagesablauf können enorm helfen. Rituale und Routinen sind wichtig, gerade in Zeiten der Unsicherheit, denn: Gewohntes gibt Halt!
Auch ganz wichtig: Sich nicht von Sorgen, Ängsten, Grübelattacken noch mehr runterziehen lassen. Lösungen andenken ist ok. Unendliche Grübelkreise sind nicht ok, sie schaden mehr und halten den Angstkreislauf aufrecht. Wir müssen unser Gehirn beruhigen, damit es unserem Körper die Botschaft senden kann: alles ok, wir schaffen das, einatmen, ausatmen, zur Ruhe kommen. Loslassen. Einatmen. Ausatmen.
Ich tue, was ich kann! Alles andere liegt nicht in meiner Macht!
Matthias Horx hat auf seiner Seite einen schönen Beitrag veröffentlicht, in dem es heißt: nicht bedenkenloser, blanker, blauäugiger Optimismus ist jetzt gefragt, aber Pessimismus ist genauso schädlich… halten wir uns an die Möglichkeiten, aktivieren wir die Zuversicht:
„Ich werde auch viel gefragt, „was ich denen sagen möchte, die ANGST haben”.
Auf diese Frage gibt es keine sinnvolle Antwort. Es ist ja so, dass man sich im Zustand der Angst nichts sagen lassen kann. Angst ist ein uns von der Evolution mitgegebener Reflex, eine Mobilisierung, die uns zum Kämpfen oder Fliehen befähigen soll. Wenn der Säbelzahntiger kommt, kann man keine Debatten führen und Argumente abwägen. Angst kennt kein »Aber«, Optimismus ist hier völlig unangebracht. Dann regiert das Adrenalin im Hirn und im Körper….“
ABER: „Angst geht vorüber, und dann machen wir eine verblüffende Erfahrung: wir erleben eine Selbstverwandlung. Das ist nach jeder überstandenen Krankheit so, nach Trauerprozessen, nach Veränderungen, die uns forderten. Jeder hat das schon einmal erlebt, wenn er aus einer Krise herauskam und plötzlich „die Welt mit neuen Augen sah”….
Zuversicht, oder Possibilismus, besteht also nicht in der Gewissheit, dass „schon nichts Schlechtes passieren wird”. Es wird eine Menge passieren! Auch Schlechtes, Schlimmes, kaum zu Ertragendes. Zuversicht wächst im Vertrauen darauf, dass wir auch dann eine ANTWORT finden können, wenn es schwierig wird. Das ist wahre Zukunfts-Kompetenz, die uns ganz neue Freiheiten schenkt….
Was den Virus hervorbrachte, brachte auch die CO2-Überhitzung hervor. Wenn uns durch Selbst-Entschleunigung die Entschleunigung des Virus gelingt – könnte daraus eine Gegen-Infektion erfolgen – sozusagen ein positiver Virus, der sich in der humanen Kultur als Idee eine postfossilen Zukunft verbreitet?
Die Antwort müsst Ihr finden. Ihr selbst. Ich. Wir alle. Es gibt keine präzise Methode, das »vorherzusagen«. Optimismus und Pessimismus geben uns keine Antwort darauf….
Die Zukunft beginnt in uns. Sie ist, ähnlich wie die Liebe, eine Entscheidung.“
(Der gesamte Text ist nachzulesen bei Matthias Horx, Future Mind, Kolumne 49).