Schreibstube

Blumau: Es waren einmal…

(Auszugsweise veröffentlicht in: Klipp, 2013)

„Wenn einer allein träumt, ist es nur ein Traum, wenn viele gemeinsam träumen, ist es der Anfang einer neuen Wirklichkeit.“ (Friedensreich Hundertwasser)

 

… ein außergewöhnlicher Wiener Künstler und Querkopf mit dem selbst gewählten Namen Friedensreich Hundertwasser sowie ein mutiger, aufgeschlossener Kärntner Bauunternehmer, Robert Rogner genannt. Die beiden taten sich einst zusammen und heraus kam ein Märchen Wunderland…

Freitagnachmittag. Ich stecke im Stau. Bin angespannt, müde, verschwitzt. Allmählich lasse ich den gröbsten Verkehr hinter mir, lande auf einer schlichten, staubigen Landstraße, gesäumt von grünen Wiesen und Feldern, Bäumen und Wäldchen, kleinen Ortschaften. Der Himmel zeigt sich in allen Schattierungen von Blau, die Sonne lacht zwischen vorbeiziehenden Wölkchen durch. Ganz allmählich verblasst mein arbeitsintensiver Alltag, leichte Vorfreude macht sich breit. Blumau, ich komme! Ohne Plan und Navi finde ich auf Anhieb zur einladenden Hoteleinfahrt. Dort hüpft ein Mann in blauem Mäntelchen am Platz herum und lacht mir entgegen. Mit einem etwas genervten Nicken will ich vorbeifahren, ich hab`s schließlich eilig, will endlich einchecken, meine Füße hochlegen, mich entspannen. Doch der freundliche Narr lädt mich ein zum Stehenbleiben. Also Tempo drosseln. Die erste Überraschung. Der „Hofnarr“, der heute Morgen seinen offiziellen Dienstbeginn angetreten ist, heißt mich willkommen. Erklärt mir, wie ich zum Parkplatz komme und dann weiter zur Rezeption. Und irgendwie fühle ich mich schon ein wenig mehr „da“. Ich parke ein, folge dem roten Teppich zum Empfang. Dort wartet die nächste Überraschung. Ich werde nämlich zum Händewaschen verwiesen. Nix also mit eilig und schnell aufs Zimmer. Erst einmal das Begrüßungsritual. Den Staub des Alltags abwaschen. Handgeschöpfte Bioseife zum Runterhobeln, Wasser aus dem Krug, Duft auf der Haut. Dann darf ich mir ein Plätzchen im „Wohnzimmer“ (so wird die Rezeption mittlerweile genannt) suchen, bekomme ein Getränk serviert und werde in aller Ruhe und Gemütlichkeit über die wichtigsten Gepflogenheiten des Hauses aufgeklärt. Und wieder spüre ich, wie sich in mir ein paar mehr meiner aufgedrehten Turbo-Rädchen beruhigen. Die erste Anspannung hat sich gelegt. Ich nehme Zimmerchip und den druckfrischen Reiseführer „Das Rogner Bad Blumau“ in Empfang und schlendere zu meinem Zimmer. Hier liegen Badetasche, Bademantel und Handtücher bereit. Ich verstaue meine Habseligkeiten, schnappe die Badetasche und wandere in den Thermalbereich ins Freie. Der erste Schritt ins kühle, klare Wasser – endlich – das Wellenbad wiegt sich und sprudelt aufgeregt, fast erwarte ich, dass es nach Salz schmeckt. Danach in den Liegestuhl, Augen zu und träumen…

Es war einmal… eine Märchen Wunderwelt im steirischen Hügelwiesenland. Mit bunten seltsam geformten Häusern, die sich in eine sattgrüne Landschaft schmiegten. Mit Gipfelchen und Türmchen, goldglänzenden Kuppeln. Mit Fliesen in rot und blau und gelb , mit vielen bunten Säulen und Fenstern, von denen keines dem anderen glich. Groß und rund, eckig und klein, mit Rundbogen oder  zu kleinen Augenschlitzen verengt. Auf den flachen Dächern wuchsen Büsche und Bäume, die ihre Zweige und saftig grünen Blätter wie kecke Haarschöpfe über die Dachkanten hängen ließen. Keine Wand war wirklich gerade, jeder Winkel sah anders aus, der Boden wölbte sich sanft unter den Füssen. Überall Rundungen, Biegungen, sanft geschwungene Linien. Das Rogner Bad Blumau.

Ich gönne mir eine „Bad Blumauer Waschung“. Neu im Programm. Und nach zwei-wöchiger Komplettrevision heute erstmals in Anwendung. Ich werde ins Vorbad geführt, ein runder Raum, eine schwarz verflieste Steinbank, eine Lampe und viel Wasserdampf. Sonst nichts. Während ich mich noch frage, was ich hier 20 Minuten tun soll, fangen meine Gedanken an sich zu verlangsamen,  dahinzuschmelzen wie Eis in der Sonne. Mein Kopf bleibt angenehm leer zurück, ich fühle mich rundum gut, entspannt, wie in Trance. Könnte ewig so weitergehen. Nach einer viel zu kurzen Ewigkeit werde ich abgeholt und in einen der Waschräume geführt. Ich kriege einen aufregenden one-size Slip Tanga in blau ausgehändigt und stelle mir augenblicklich vor, wie sich hier alle Gäste diesen interessanten Wäscheteil überziehen. Bevor meine Phantasie mit mir durchgeht, ruft Petra, meine „Waschfrau“ mich in die Realität zurück und die heißt, auf einem kleinen Schemelchen Platz nehmen und abwarten. Petra schöpft mit einem Holzeimer Wasser aus dem braunen Bottich und schüttet es mir über Armen, Beine, Bauch und Kopf. Ja, auch die Frisur muss dran glauben. Da kennt Petra nichts. Was es damit genau auf sich hat, will ich wissen, während mir die Wassereimer über den Kopf geleert werden. Einatmen und ausatmen – schütt. „Zurück zu den Ursprüngen“, erklärt mir Petra kundig. Hier sollen alte Waschrituale wiederbelebt werden, aus jenen Zeiten, als es noch keine Superturboduschen und Luxusbadewannen gab. Einfach gewaschen werden, ein schönes, sehr entspannendes Ritual. Ich darf mich auf die Steinliege legen, werde weiter aus vollen Eimern mit warmen Wasser überschüttet, dann gibt’s ein Ganzkörperpeeling und anschließend versinke ich unter Schaumbergen. Mit kalt gepressten Kokosnussöl werde ich von Kopf bis Fuß sanft eingeölt.  Was gibt es Herrlicheres? Dann umdrehen, das Ganze auf der anderen Seite – und zum krönenden Abschluss, wer`s verkraftet, ein kalter Guss. Den ich nur über meine Beine lasse. Man muss schließlich nicht alles auskosten im Leben. Nach dem Waschritual – so sauber  und leicht habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt – gibt es noch ein Kännchen Tee, das im separaten Ruheraum genossen werden kann. Meine Haut glänzt und fühlt sich wunderbar seidig an.

Ich blättere im 96-seitigen Reiseführer „Das Rogner Bad Blumau“. Warum Reiseführer? Für eine Therme? Ulla Harms vom nostalgischen Perlenreihe-Verlag und Buchautor Martin Amanshauser erklären das so: Blumau sei ein magischer Ort, es gäbe hier unendlich viel zu entdecken, zu sehen, zu erleben… Wenn  man eine Wochenendreise nach Barcelona macht, würde man sich vermutlich auch einen Reiseführer zulegen – warum also nicht auch für eine  wunderbare Reise an diesen märchenhaften Ort? Angelegt ist der Reiseführer wie viele andere auch: Beschrieben sind Anreise, Angebot, kulinarische Möglichkeiten, Vorgeschichte, Umgebung, die Leute, die hier arbeiten u.v.m.

Und es gibt tatsächlich viel zu erkunden im Rogner Bad Blumau. Ein Wochenende reicht noch lange nicht. Wie also soll ich mich hier kurz fassen, wo doch selbst der Text für den Reiseführer, wie der Autor betont „viel zu lang war für das Buch“. Wie alles unterbringen in  ein paar knappen Sätzen? Viel zu viel gäbe es noch zu berichten. Wann soll ich erzählen von der „Naschkammer“, die ich gleich am ersten Abend (natürlich nur zu Recherchezwecken) plündere. Statt alter Gammelschoko am Zimmer gibt’s hier nämlich ein Kämmerchen, das rund um die Uhr Naschereien aller Art bietet, Süßes und Salziges, Eis und Essiggurkerl finden sich hier, ein wahres Naschparadies und nichts für Menschen mit schwacher Beherrschung.  Ein gefährlicher Ort. Jederzeit zugänglich.

Dann gibt es da noch die hübschen Blautulpenbäume  und die kleinen Feuerstellen im Innenhof, die abends gemütlich vor sich hin knistern.  Die fabelhaft Band Tom`s Crew, die regelmäßig in der Hotelbar „Klimbim“ Ohrenschmaus bietet. Den einsamen Oboenspieler, der über dem Wellenbad  zarte Klänge in den Himmel steigen lässt. Die Literaturhäppchen, die unerwartet zum Sonntagsfrühstück serviert werden. Die vielen einladenden Saunakammern, die Bottiche und Wasserbecken, die dem Saunagast zur Verfügung stehen. Die vielen kleinen Ecken und Nischen mit einladenden Pölstern, die Kuschelliegen und die bunt bemalten Mülleimer (mit 6-fach-Trennsystem). Den Vulkania-Badesee, gespeist aus der Vulkania Heilquelle, der heißesten Heilquelle Mitteleuropas (Austrittstemperatur 110 Grad). Apropos Speisen: Ein wahrer Gaumenschmaus sind die Mahlzeiten. Essen den ganzen Tag lang, wann einen der Hunger packt, ohne auf die Uhr schauen zu müssen, ohne feste Zeiten. In einigen Lokalen in Normalkleidung, in anderen im Bademantel- Outfit. Wo man sich wohler fühlt. Unvergesslich das Frühstücksbuffet, angeblich das Beste der Welt. Biobutter als Riesenrolle zum selber runterschneiden, Müsli & co, hausgemachte Marmeladen, Honig, Nougatcreme, Eier in allen Variationen, heiße Suppe, frischgebackenes Brot aus dem eigenen Brot-Backofen, Maisweckerl, Kürbiskernweckerl, von den man nicht genug kriegen kann, frischer Apfelsaft, Karottensaft, Rosenblüten Wasser, Tees in unüberschaubarer Vielfalt…

Ja, es gäbe noch viel zu erzählen, der Platz reicht allemal nicht. Das einfachste wird sein, diese Reise selbst anzutreten. Ist ja nicht weit, knappe 60 Kilometer von Graz entfernt, ins südoststeirische Hügelland. Wo alles irgendwie bunter ist und freundlicher, entspannt. Wo man das Gefühl hat, sehr weit weg zu sein, weit gereist – wie auf einem anderen Planeten gelandet – im Reich des Hofnarren von Bad Blumau…

 

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INFO: Das Rogner Bad Blumau in Zahlen (lt. „Reiseführer“)

1993 Baubeginn

1997 Eröffnung

Gesamtanlage 42 Hektar

Ca. 330 Säulen

Ca. 2800 Fenster

9,5 Mio. Euro für Erneuerung des Ortes und touristische Infrastruktur

330 neue Arbeitsplätze

Ca. 70000 Hotelgäste/Jahr

Ca. 70000 Tages Gäste/Jahr

Durchschnittliche Verweildauer eines Hotelgastes: 2,5 Tage

Seit 2001 Kurort-Patent „Bad“ Blaumau

32 Kooperationspartner im Umkreis von 100 Kilometern

In 15 Jahren flossen „über 20 Millionen Euro an die lokalen Zulieferer.“

 

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„Fenster in Reih und Glied sind traurig, Fenster müssen tanzen können.“ (Friedensreich Hundertwasser)