Buchbesprechung

Embodiment

(Veröffentlicht in: PIÖ / Psychologie in Österreich, 2011)

Storch Maja, Cantieni Benita, Hüther Gerald, Tschacher Wolfgang: „Embodiment – Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen“. 2010 zweite erweiterte Auflage, Verlag Hans Huber Bern. ISBN 978-3-456-84837-2

 

Vier AutorInnen, vier Fachgebiete, ein Thema – aus verschiedensten Perspektiven dargestellt. Ein spannender Zugang auf jeden Fall. Das Thema: Der Körper, in der akademischen Psychologie noch immer weitgehend als „terra incognita“ gehandelt, als Mitgestalter psychischer Prozesse, als Sprachrohr, als gleichberechtigter, gleichwertiger   Teil unseres Ich. Vier Disziplinen, die einen professionellen Blick auf diese Zusammenhänge und Wechselwirkungen werfen: Die Kognitionswissenschaft, die Psychologie, die Neurobiologie und die Körperarbeit, friedlich in einem Buch vereint. Der Auslöser für diese Werk, wie die Autorinnen im Vorwort anmerken: Die Empörung darüber, dass in der akademischen Psychologie der Mensch heutzutage zwar nicht mehr nur als Reiz-Reaktions-Maschine gilt, sondern auch bereits denken und mittlerweile sogar fühlen kann & darf, dass aber Körperwahrnehmung, das sich Auseinandersetzen mit unserem Körper nach wie vor mit Scham behaftet, unnatürlich, ja esoterisch scheint  – wir dürfen zwar den ganzen Tag im Büro in schlechter Haltung vorm PC sitzen, wir dürfen uns in Seminaren in mentalen und sonstigen Techniken schulen lassen, aber zwischendurch Körperübungen zu machen, in unseren Körper hineinzuhören, unseren Körper wahrzunehmen und sorgsam zu behandeln, das scheint uns oftmals unnatürlich, ja peinlich.

Die vier Embodiment-ExpertInnen vertreten dagegen die Meinung, dass jeder, der „Menschen berät, therapiert oder erforscht, ohne den Körper miteinzubeziehen“ , eine „Erklärung für dieses Manko“ abgeben müsste. Denn „warum fällt niemandem auf, dass ein Mensch, dessen Körper ein Leben lang in eine ängstliche Haltung hineingewachsen ist, nicht nur mit schierer Gedankenkraft zum mutigen, durchsetzungsstarken Tiger werden kann?“

Eine erste Hürde für die AutorInnen war es, vorweg eine einheitliche Terminologie über vier verschiedene Fachgebiete hinweg zu schaffen – ein ausführliches, über 20seitiges allgemeines und anatomisches Glossar am Ende des Buches zeugt von dieser Mühe.

Insgesamt ist das Buch schön gestaltet, und übersichtlich in 5 Kapitel gegliedert: Wolfgang Tschacher eröffnet den Reigen aus Sicht der Kognitionswissenschaft mit „Wie Embodiment zum Thema wurde“.

Maja Storch geht darauf ein, „wie Embodiment in der Psychologie erforscht wurde“. Sie beschreibt mittels Experimenten, Alltagserlebnissen und Möglichkeiten des Selbstmanagement, wie Menschen das Potenzial ihres Körpers nutzen können.

Gerald Hüther beleuchtete schließlich in Kapitel 3 die neurobiologische Seite von Embodiment und Benita Cantieni zeigt „wie gesundes Embodiment selbst gemacht wird“ – mit vielen praktischen Beispielen und Übungen zu Körperhaltung und Atmung, die sofort und jederzeit ausprobiert werden können.

In einem fünftem Zusatzkapitel kommt noch einmal Maja Storch zu Wort, die beschreibt, welche Rolle Embodiment im „Zürcher Ressourcen Modell“ (ZRM) spielt. . Das ZRM ist die Basis für ein Selbstmanagement-Training mittels Ressourcenaktivierung, das von Maja Storch und Frank Krause Anfang der 90er Jahre für die Universität Zürich entwickelt wurde.

Das vorliegende Buch liest sich leicht und ist in seiner Argumentation gut nachvollziehbar. Es sorgt für einige Aha-Erlebnisse und gibt viele Inputs für die tägliche Praxis. Die ausführlichen Beispiele öffnen die Augen für bisher Ungesehenes und machen Lust, weiter an diesem Thema dranzubleiben

Die vernetzende, fachübergreifende Sichtweise ermöglicht spannende Einblicke in einen weiten Themenbereich, der dadurch größere Tiefenschärfe und Bedeutung erlangt. Es ist sicher empfehlenswert, wenn nicht sogar unbedingt ratsam für alle Profis, die in jeglicher Form von Beratung, Behandlung und Therapie von Menschen tätig sind.