une liaison dangereuse
(Veröffentlicht in: Tango Global, Band 1, Tango in Berlin, Allitera Verlag, 2014)
Der Tango und die Liebe – mein Gott! Unschuldig war ich und naiv, als ich meine ersten Schritte im Tango gelernt habe. Ich habe mich gefreut, dass sich immer wieder ein Tanzpartner gefunden hat. Aber tatsächlich habe ich sie nicht wirklich wahrgenommen, die Herren, mit denen ich meine Schritte in den Tango tat. Wir waren blutige Anfänger, allesamt, und im Grunde war jeder so sehr mit sich selbst beschäftigt – die Schritte, die Musik, das Gleichgewicht, die richtige Drehung zur richtigen Zeit, da blieb kein Platz, sich groß um sein Gegenüber zu kümmern. Dachte ich. Anfangs. Dann kam er. Er tanzte mit mir und ich fühlte mich wie im siebten Himmel. Diese Leichtigkeit, dieses Schweben, dieses Miteinander. Jede Bewegung ein Genuss, ein Ineinander-Versinken, ein Kommunizieren ohne Worte, stilles Verstehen, ach, schwer zu beschreiben, aber: es hatte mich gepackt. So also konnte Tango sich anfühlen. Das also war es, von dem alle schwärmten. Zwei Herzen im Gleichklang, Körper in vollendeter Harmonie. Zumindest habe ich es so in Erinnerung. Eine schöne Zeit. Tango tanzen ohne Ende. Und eine heftige Liebe. Die ebenso heftig endete. Und mir den Schmerz meines Lebens beschied. Ich hatte auf einen Schlag alles verloren: meine Liebe und meinen Tanguero. Das tat weh, sehr weh. Und ich wusste instinktiv: nur eines konnte mich retten: der Tango selbst. Ich musste weiter tanzen, ich musste wieder raus, unter die Leute, musste mir meine Tangueros suchen. Aber ich wusste auch: ich will wieder tanzen, mit ganzen Herzen, mit ganzer Hingabe, jeden einzelnen Tanz. Mein Gegenüber hatte plötzlich ein Gesicht bekommen, war real geworden – ich hatte gelernt mit einem anderen zu tanzen, ihn wahrzunehmen, mich auf ihn einzulassen. Anfangs war ich noch oft den Tränen nahe. Jede Melodie war Erinnerung, war Schmerz. Und dennoch: ich denke heute, dass mich diese Erfahrung dem Tango nähergebracht hat, sie hat mein Herz geöffnet. Hat mich geöffnet für mein Gegenüber – für den Moment des Tanzes, einen Moment des Sich- Einlassens. Das ist das Gefühl, das den Tanz ergänzt. Vertieft. Ihm seine Seele gibt. Die Nähe zwischen zwei Menschen. Jetzt und hier und im Moment. Das ist die eine Seite.
Denn natürlich ist es so, dass es genug Herren wie Damen gibt, die den Tango mehr oder weniger offensichtlich als Partnersuche betrachten – sei es für eine Nacht, ein paar Monate oder ein ganzes Leben. Es gibt genug Herren, die sich ihrer Faszination als gute Tänzer bewusst sind und auf diesem Wege ihre Eroberungen planen. Es gibt diejenigen, die sich nie festlegen wollen und immer mit einem, einer anderen tanzen. Und es gibt die, die diese Art von Nähe überhaupt nur mit ihrem eigenen Partner erleben können und wollen und nur ungerne, wenn überhaupt mal den Tanzpartner wechseln. Es gibt die Paare, die kommen zu zweit, tanzen sich quer durch mit Vergnügen und gehen dann locker und entspannt zusammen nach Hause. Es gibt die, die sich nach jedem Tanz wilde Hoffnungen machen – „er hat mich so eng an sich gedrückt“… „sie hat mir so tief in die Augen gesehen“… und manche/r mag glauben, dass dies ein Hinweis für mehr sein könnte. Ein schwieriges Unterfangen, wie ich finde. Und ein bisschen wie im richtigen Leben. Es muss wohl jeder für sich entscheiden, was der Tango für ihn bedeutet, was man sucht und zu finden hofft. Mir persönlich gefällt mittlerweile der Gedanke am besten, dass im Tango der Moment zählt, der Moment der Hingabe – einander, der Musik, der Bewegung. Es zählt kein davor und kein danach. Das Drumherum mag schwierig sein, kompliziert, schmerzvoll, unangenehm, was auch immer… es ist einfach der Moment, da sich zwei (oftmals wildfremde) Menschen nahekommen können, ungeachtet aller Grenzen, Hindernisse und Widrigkeiten. Und das ist es doch, was letztlich zählt im Leben. Oder nicht?