Buchbesprechung

„Wenn dir ALLES unter die Haut geht“

Dr. med. Judith Orloff: Wenn dir alles unter die Haut geht. Das Überlebenshandbuch für Empathen und Hochsensible. Trinity Verlag, deutsche Erstausgabe 2018.

 

Wieder ist ein neues Buch zum Thema Hochsensibilität auf den Markt gekommen. Die Autorin, Judith Orloff, hat sich in ihrer Praxis in Los Angeles auf die Behandlung und Beratung von Empathen und hochsensiblen Menschen spezialisiert. Sie ist Psychologin und Ärztin und selbst Empathin, wie sie betont. Aus eigener Erfahrung und Betroffenheit schildert sie im vorliegenden Buch, was es bedeutet hochsensibel zu sein – wie man es bei sich erkennt, wie man sich bestmöglich schützt, aber auch wie man seine Fähigkeiten bewusst und zum Wohle aller einsetzen kann.

Wobei Judith Orloff neben Hochsensiblen eben auch von Empathen spricht. Sie zieht hier eine feine Grenze: „Empathen weisen einen Teil oder alle der Charakterzüge auf, die die Psychologin Elaine Aron für Hochsensible nennt. Dazu gehören eine niedrige Reizschwelle, das Bedürfnis, allein zu sein, Licht-, Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit sowie eine Abneigung gegen große Gruppen…“ Empathen, so meint sie, erleben meist noch eine Steigerung dieser Empfindsamkeit. Sie nehmen feinstoffliche Energie wahr und auf. Das können Gefühle, Gedanken, Schmerzen und körperliche Empfindungen anderer Menschen, aber auch von Tieren oder Pflanzen sein.

„Empathen haben ein extrem reaktionsfähiges neurologisches System. Wir besitzen nicht die Filter, die andere haben, um Reize abzuschirmen. Daher nehmen wir sowohl die positiven als auch die belastenden Energien aus unserer Umgebung in unserem Körper auf“.

Da hochsensible Menschen die Emotionen anderer oft ungefiltert in sich selbst spüren, sind ihre eigenen Grenzen oft zu durchlässig. Die Folge ist, dass sie sehr verletzlich sind und häufig unter Reizüberflutung, Stress und Erschöpfung leiden. Menschen mit ausgeprägter Empathie und Sensibilität verfügen jedoch auch über besondere Fähigkeiten: Sie sind intuitiv, feinfühlig, kreativ, leidenschaftlich, spirituell und mitfühlend. Deswegen können sie auch tiefe Verbindungen zu anderen Menschen aufbauen.

Judith Orloff beschreibt in ihrem Buch eine Vielzahl von Strategien und Übungen, die hochsensiblen und empathischen Menschen helfen sollen, ihren eigenen, persönlichen Weg zu finden, denn Empathen müssen sich weder »abhärten« noch verstecken.

Das Buch ist übersichtlich in neun Kapitel gegliedert. Kapitel 1 schafft eine Einführung in die Thematik, bei der Judith Orloff auch auf wissenschaftliche Untersuchungen Bezug nimmt und verschiedene Lebensbereiche skizziert, die von dieser Fähigkeit betroffen sein können. Sie schildert Vorteile und Herausforderungen und betont den Segen einer feinen Sensibilität.

Forschungsberichte zeigen, dass immerhin rund 20 Prozent der Bevölkerung – in unterschiedlichem Ausmaß, aber doch – hochsensibel sind. Viele werden als überempfindlich oder neurotisch etikettiert und „eher beschämt als unterstützt“. Die Autorin schildert auch kurz ihren eigenen Werdegang, den Absturz in Drogen als Jugendliche, um die eigenen Sensibilität zu betäuben und endlich „normal“ sein zu können.

In den weiteren Kapiteln geht sie auf das Thema Gesundheit ein (spezielle Krankheiten, die Grenzen der Schulmedizin, der Umgang mit Medikamenten) und auf die Gefahr von Süchten als verzweifelte Selbsthilfestrategie. Ein Kapitel widmet Orloff dem Thema Liebe und Beziehungen und ein weiteres dem Schutz vor Energievampiren. Wobei in allen Kapiteln konkrete Tipps, Schutzstrategien, Anleitungen und Affirmationen eingebaut sind. Elternschaft, der Umgang mit hochsensiblen Kindern sowie die Arbeitswelt und die Wahl des passenden Berufes und Arbeitsumfeldes werden ebenso besprochen.

Die Autorin zeigt, wie man in unterschiedlichen Lebenssituationen mit Reizüberflutung und Stress umgehen und trotz außergewöhnlicher Intuition und Wahrnehmung gut in seiner Mitte bleiben kann.

Zum Abschluss werden in dem Buch noch einmal alle Schutzstrategien übersichtlich zusammengefasst („Eine Kurzanleitung“) und es werden Tipps zur Gründung einer Selbsthilfegruppe gegeben.

Insgesamt ein sehr gut lesbares, brauchbares und praktisches Buch, in dem sich vermutlich viele Hochsensible wiederfinden werden. Ich kann es durchaus nur weiterempfehlen!