Wider die Verschwendung
Sandra Krautwaschl: „Verschwendungsfreie Zone. Wie meine Familie es schafft, sich vom Zuviel zu befreien“. Heyne Taschenbuch, 2020.
Das Buch kam gerade richtig – kurz bevor Corona kam! Und damit passt es nun perfekt zum Thema und zur Zeit! Und zu meinem eigenen Weg sowieso. Die Grün-Politikerin Sandra Krautwaschl beschreibt in ihrem zweiten Buch „Verschwendungsfreie Zone. Wie meine Familie es schafft, sich vom Zuviel zu befreien“ ihren Weg zu einem Leben ohne Überfluss und unnötigen Luxus.
Sie beschreibt, wie sie als Physiotherapeutin in die Politik kam. Sie erzählt sehr persönlich aus ihrem Leben, lässt uns teilhaben an ihren Gedanken, ihrer Motivation, den vielen Fragen und Zweifeln, aber auch der Lust und dem unbändigen Willen, etwas zu verändern.
Sie berichtet von Erfolgen, Querschlägen und Widerständen. Von unfassbaren Müllmengen, von Verschwendung, die unser aller Lebensgrundlage zerstört, von Desinteresse, Machtgier und einem Konsumrausch, der uns fest im Griff hat. Umweltzerstörung bekommt hier ein Gesicht, eine Stimme. Wir dürfen auf den Spuren von Sandra Krautwaschl nachvollziehen, wie grausig Wirtschaft manchmal funktioniert, mit welchen Mechanismen wir als Konsumenten über den Tisch gezogen werden. Wie uns eine heile Welt vorgegaukelt wird, während im Hintergrund Menschen, Tiere, die Natur leiden, zugrunde gehen, ausgenützt und vernichtet werden.
Die Autorin ist bekannt, seit sie nach einem Kinobesuch am 17. September 2009 beschlossen hatte, ein Experiment zu wagen. Sie hatte an diesem Tag im Kino den Film Plastic Planet gesehen. Erschüttert von den gigantischen Müllmengen, die unseren Planeten systematisch zerstören entschied sie gemeinsam mit ihrer Familie, künftig auf Plastik zu verzichten. Was als Experiment begonnen hatte, wurde rasch zur Lebensphilosophie. Ihre Erfahrungen mit dieser Lebensumgestaltung und neuen Lebensweise beschrieb sie in ihrem ersten Buch („Plastikfreie Zone“). Sie engagierte sich in der Gemeindepolitik, hielt Vorträge und wurde immer häufiger zu Diskussionen eingeladen.
Aber ihr Weg ging weiter. Die intensive Beschäftigung mit Plastikverzicht führte zu vielen anderen Themen und zur Erkenntnis, dass es nicht das Plastik allein ist, das uns über den Kopf wächst, sondern die gigantische Verschwendung in allen Lebensbereichen. Wir produzieren, kaufen und konsumieren viel zu viel, ersticken in unnötigen Verpackungsmaterialien und lagern das Zuviel in diversen Kellern, Dachböden, Zimmern, Häusern, Lagerhallen und Nebengebäuden ab – und brauchen das meiste dann gar nicht. Leben auf viel zu großem Fuß. Ersetzen Lebenslust und Freude durch Kauforgien.
Sandra Krautwaschl beschreibt sehr berührend ihren Werdegang, wie sie nach langen Überlegungen den Schritt wagte und von der Gemeindepolitik zur Landtagsabgeordneten wechselte. Sie setzte sich ein – unermüdlich – fand Verbündete, Menschen, die eine ähnlichen Weg gehen, die bereits einiges ungesetzt, verändert haben. Die Autorin holt diese Menschen vor den Vorhang, ob Sarah und Verena vom ersten verpackungsfreien Laden in Graz. Oder Beatrix mit ihrer Nachhaltig in Graz-Webseite u.v.m.
Vor allem schreibt sie über Lebensbereiche, die sie kennt, mit denen sie selbst unmittelbar zu tun hat. Wohl wissend, dass es noch genug Bereiche gibt, wo es ebenso hinzuschauen gilt. Sie sagt: „Aber ich wollte ganz bewusst nur über Dinge schreiben, zu denen ich einen direkten persönlichen Bezug und eigene Erfahrungen im Alltag habe und von denen ich annehme, dass die meisten Menschen teilweise damit in Berührung kommen“.
Was das Buch angenehm zu lesen macht ist eine grobe Einteilung in die drei Übersichtskapitel: Fragestellungen. Experimente. Lösungen. Spannend ist die Vorgeschichte und das eigene Ausprobieren und Umsetzen der Autorin. Das Scheitern, überlegen, neu starten, sich bemühen. Dieses Urmenschliche eben. Nicht alles kann immer und sofort funktionieren – die Autorin beschreibt achtsam und mit Humor, wie und wo sie Abstriche machen musste oder auch wollte. Es finden sich spannende Ansätze und Anregungen, vom Autoteilen mit Freunden über die schlichten und doch sehnsüchtig machenden Urlaube am Meer. Vom Wert von Waschmaschinen, Biokisterln, die zugestellt werden, einem Kostnixladen, offenen Bücherregalen und dem Bemühen um maximal mögliche Verpackungsfreiheit.
Mir gefällt der sehr persönliche Stil der Autorin, das Buch flutscht regelrecht und macht Lust selber aktiv zu werden, Schritte zu setzen, egal, wo man selbst gerade steht… es geht immer noch mehr. Oder besser: weniger :):):)
„Von einer, die ihre Überzeugungen lebt, ohne großes Aufhebens darum zu machen: eine Inspiration für Engagement – zuhause und in der Öffentlichkeit.“
Prädikat: Unbedingt lesens- und nachahmenswert!