zeilen.lauf. Ich. Vierter Platz. Wow!
Sonntag, 12. November 2017. Ich sitze im Zug. Wieder einmal. RJ 76 Richtung Wiener Neustadt. Es ist knapp vor 12 Uhr. Vor dem breiten Fenster ziehen Wälder vorbei, mattbunt belaubte Bäume, Nebelschwaden. Im Abteil ist es hell, warm und gemütlich. Gelegentlich kommt jemand vorbei, Reisegäste, der Schaffner, die Dame mit den Getränken, den Zeitungen, ansonsten bin ich allein im Abteil.
Eigentlich wollte ich auf meinem kleinen Netbook ein bisschen im Internet surfen, Emails schreiben und ähnliches, aber wie so oft: irgendetwas funktioniert meist nicht. Diesmal kann ich mich nicht ins Netz einloggen. Nach fast einer Stunde herumprobieren gebe ich genervt auf. Dann halt nicht. Da muss mal wieder ein Profi drüberschauen. Stattdessen eben Zeitung lesen, Kaffee trinken, aus dem Fenster schauen. In einer halben Stunde werde ich in Wiener Neustadt umsteigen in den Zug nach Baden. Dort dann soll ich mich im Hotel At the Park einfinden – zum Finaltag des Literaturwettbewerbes zeilen.lauf von art.experience.
13 Uhr: Ankunft in Baden. Spaziergang durch den winzigen Park beim Bahnhof, Richtung Hotel. Ein nasskalter, grauer Novembertag. Baden wirkt (zumindest an diesem Sonntag) wie ausgestorben. Kaum Menschen zu sehen, keine Autos, nur verschlossene Türen und Fenster.
Dann aber freundliches Willkommen-heißen im Hotel. Ich fülle rasch ein Formular aus, bekomme meinen Zimmerschlüssel, rauf in den ersten Stock. Ein ansprechendes Zimmer mit Blick in den Kurpark. Very stylish, genau mein Stil. Endlich also: meinen schweren Rucksack fallen lassen, die Füße hochlagern, Mineralwasser trinken und die Schokominis vom Kopfpolster verspeisen. Ich bin angekommen!
14.30 Uhr: Vor dem Bewerb dürfen Interessierte ein Sprechcoaching bei Agnes Jorda absolvieren. Die Schauspielerin macht mit uns kleine Körperaufwärmübungen, wir zeichnen Graffitis in die Luft und schalten imaginäre Kaffeemaschinen ein – mit vielen Lautmalereien, ohhhs und mmmmmhs und schtttt und fffft….
18 Uhr: Start des Finalbewerbes. Über 400 Beiträge wurden eingereicht. Die Schauspielerin Kristina Sprenger moderiert. Licht ins Dunkel ist auch beteiligt. Es gibt eine Bühne und eine Jury. Und viele Sesselreihen fürs Publikum. Unerwartet viele. So groß und beeindruckend habe ich mir das eigentlich nicht vorgestellt….
Ich komme ins Gespräch mit Bernadette Németh, einer jungen Wiener Autorin (Buchtipp: „Der Rest der Zeit“, ganz frisch erschienen im Wortreich Verlag!) – schön, wenn man jemanden zum Plaudern (und gegenseitigen Fotografieren) findet.
Alles ist bestens organisiert. Zuerst werden die zehn Kurzgeschichten gelesen, die für das Finale ausgewählt wurden. Ich habe schnell meine Favoriten. Nach einer kurzen Pause dann der Lyrikbewerb. 15 Gedichte sind in die engere Auswahl gekommen, darunter meines. Ich erinnere mich dunkel, dass ich ein Uraltgedicht, das in der Schublade vor sich hin moderte, vor ein paar Monaten eingereicht (und dann wieder vergessen) habe.
Ca. 19.30 Uhr: Der Reihe nach marschieren wir nach vorne zur Bühne, tragen unsere Gedichte vor (schön langsam, mit Pausen, wie wir es im Sprechcoaching gelernt haben), versuchen ohne zu stolpern wieder auf unseren Platz zurückzugelangen. Ein bisschen bin ich dann doch aufgeregt, obwohl der Tag lang war und ich schon müde bin. Ich lese mein Gedicht – fertig. Abgang.
Ca. 20.30 Uhr: Die fünfköpfige Jury hat sich zurückgezogen um die Sieger auszuwählen. Das Publikum hat derweil Pause. Eigentlich habe ich mir nicht viel erwartet, es waren gute, zum Teil sehr gute Beiträge dabei…
Und dann ist alles sehr schnell gegangen. Die vielen „6.“ Plätze waren schnell aufgezählt, es folgt Platz 5 und bevor ich es noch recht begriffen habe: Platz 4 mit meinem Namen. Verwirrt laufe ich vor zur Bühne, schüttle Hände und nehme Weine, eine Urkunde, den Geldpreis in Empfang. Wow! Damit hatte ich in keinster Weise gerechnet. Mit dem vierten Platz! Mit einem Gewinn!
21.30 Uhr: Zurück im Zimmer. Müde und aufgekratzt, noch immer ein wenig durcheinander. Freude macht sich breit. Und Stolz. Ich telefoniere herum, verschicke SMS und Emails, bekomme Glückwünsche von allen Seiten. Gehe unter die Dusche, kippe ins Bett.
Unter der Oberfläche nagt weiter ein winziger, leiser Gedanke – unüberhörbar: Ich sollte mir mehr Zeit nehmen für mein Schreiben, dafür mehr Raum finden, konsequenter dranbleiben, meiner Sehnsucht folgen…